Technologie-Chef Dr. Mykola Gora über agile Unternehmen, Skalierbarkeit von Laborergebnissen und seine Rolle bei Arva



Seit wann sind Sie bei der Arva AG tätig? Was ist während dieser Zeit passiert?

Ich bin im Januar 2011 zu Arva, damals noch die MOG AG, gekommen. Wir begannen damals mit der Entwicklung der Schlammreinigungsanlage STORM-15. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen bereits Erfahrung mit der biologischen Behandlung von ölverseuchten Böden gemacht und erfolgreiche Testläufe in Thailand und Russland durchgeführt.

2012 haben wir dann die erste Anlage für eine Ölraffinerie in der Ukraine in Betrieb genommen, ein Joint Venture der British Petroleum und der seinerzeit russisch-amerikanischen TNK-BP. Wir haben eine maßgeschneiderte Lösung für die Behandlung von Ölschlämmen entwickelt. Die mechanische Trennung von Öl, Wasser und Feststoffen im Schlamm war damals einzigartig und der teuren thermischen Behandlung durch Verbrennung ökologisch und wirtschaftlich weit überlegen.

Ab 2013 begannen wir die Entwicklung eines neuen chemischen Oxidationsverfahrens. Die zugrunde liegende Reaktion, bezeichnet als „Superoxidation“ zerlegt Kohlenwasserstoffe in umweltneutrale Bestandteile. Dieses Verfahren ist deutlich schneller und effizienter als die biologische Behandlung und vor allem weniger temperaturabhängig.

Nach mehreren erfolgreich durchgeführten Sanierungsaufträgen – etwa in einem mehrere Hektar großen Areal einer sibirischen Ölförderung – konzentrieren wir uns derzeit auf die Einführung der Technologie in den europäischen Märkten, wo die umweltrechtlichen Standards und Grenzwerte deutlich strenger sind.

Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihren beruflichen Hintergrund.

Nach meinem ingenieur- und wirtschaftswissenschaftlichen Studium und der Promotion in der Ukraine habe ich zunächst als Ingenieur in verschiedenen Technologieunternehmen gearbeitet. Als stellvertretender Forschungsleiter für ein Rüstungsunternehmen habe ich die Entwicklungsabteilung mit mehr als 500 Mitarbeitern koordiniert. Hier habe ich sehr wichtige Erfahrungen darin gemacht, wie man ein Team von kreativen Spezialisten führt, Verantwortung delegiert und Prozesse standardisiert. Dadurch inspiriert habe ich vor zwei Jahren ein MBA-Studium an einer Business School in Edinburgh absolviert.

Zudem habe ich als Entwicklungschef, Marketing Director und Geschäftsführer in kleineren Unternehmen gearbeitet. Hier konnte ich weniger delegieren, musste unterschiedlichste Aufgaben selbst übernehmen und war allein für deren Umsetzung verantwortlich. Das war eine spannende Zeit, die mich sehr viel flexibler gemacht hat.

Meine Arbeit bei Arva ist wieder eine ganz neue Erfahrung. Dies ist meine erste Beschäftigung in einem internationalen Unternehmen, wo wir Lösungen für verschiedene Märkte und Länder entwickeln, was ich sehr spannend finde. Zudem ist dies ein sehr agiles Unternehmen, das sich sehr flexibel an Marktchancen und Kundenbedürfnisse anpasst. Wir arbeiten parallel an verschiedenen Lösungen in der umweltfreundlichen Bodensanierung. Wir haben viel zu tun und es ist alles andere als langweilig [lacht].

Sie sind bei Arva verantwortlich für die technische Entwicklung. Wie definieren Sie Ihre Rolle? Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Forschung und Vertrieb?

Оh, meine Rolle ist ungeheuer interessant [lacht]. Meine Abteilung ist ein Bindeglied zwischen Forschung und Entwicklung und dem Verkauf unserer Lösungen.

Vereinfacht gesagt: Wir überführen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der F&E-Kollegen bestmöglich in effiziente Technologien. Dazu führen wir gemeinsam Test durch, übernehmen die Planung und Auswahl des technischen Equipments und prüfen die Ergebnisse im Hinblick auf eine Prozessoptimierung. Mit anderen Worten: Wir skalieren die Technologie.

Darüber hinaus beteiligen wir uns an der Erstellung von Vertriebsunterlagen und beraten das Sales Team bei der Entwicklung der Angebote. Das reduziert auch die Belastung der F&E-Abteilung, von deren Erfolgen die Zukunft unseres Unternehmens maßgeblich abhängt.

Welche Technologien bietet Arva aktuell an? Was wird derzeit entwickelt?

Im Moment konzentrieren wir uns darauf, das Arvox-Verfahren, also die chemische Superoxidation, für verschiedene Anwendungsbereiche technisch umzusetzen. Damit können wir mit Kohlenwasserstoffen belastete Böden, mineralische Substrate und Oberflächen sehr schnell und flexibel dekontaminieren. Dazu setzen wir beispielsweise im Bahnbereich spezielle Gleiswagen ein, um die flüssigen Komponenten von Arvox aufzubringen. Bei der Behandlung von Bodenaushub arbeiten wir vor Ort mit mobilen Anlagen, sodass ein Transport in Bodenreinigungsanlagen entfallen kann.

Gleichzeitig haben wir in den vergangenen Monaten sehr viel Resonanz von den Betreibern dieser Anlagen erhalten, die an einer Integration unseres Verfahrens in ihren Prozess interessiert sind. Wir haben zuletzt erfolgreich viele Proben behandelt, die trotz chemisch-physikalischer Aufbereitung noch hoch belastet waren. Hier stehen jetzt Testläufe mit größeren Volumina und Materialprüfungen an, danach können wir die technische Integration vornehmen.

Eine weiterer vielversprechender Ansatz ist die Kombination von Arvox als Vorstufe und einer anschließenden mikrobiologischen Behandlung. Dies ist eine Symbiose von zwei Gegensätzen: Das sehr effiziente, aber im Vergleich teurere, chemische Verfahren und die günstigere, aber deutlich langsamere Bioremediation, bieten als Kombination den Kunden eine optimale Lösung, die schneller und in Summe günstiger ist.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie im Moment?

Das Stichwort hierzu heißt Skalierung. Wenn ein völlig neues Verfahren aus dem Reagenzglas herauswächst und in Großprojekten angewendet wird, gibt es Tausende von Faktoren, die die Reaktion beeinflussen. Darüber hinaus sind unsere Märkte eher konservativ. Auftraggeber, vor allem aber Behörden und Zulassungsstellen nehmen neue Umwelttechnologien sehr genau unter die Lupe, bevor ihre Anwendung erlaubt ist. Arvox ist hier keine Ausnahme. Das ist auch richtig so, denn es geht ja um die Umwelt. Nach unseren bisherigen Test und Erfahrungen aus Großversuchen bin ich sehr optimistisch, dass wir auch die anfänglichen Skeptiker überzeugen werden.

Derzeit haben wir den Markteintritt in mehrere Etappen aufgeteilt. Auf der ersten Stufe haben wir die Gleisbettreinigung und die Bodenbehandlung on site über adaptierte Mischmaschinen. Diese Wahl liegt auf der Hand, da Bahnschotter geochemisch weniger komplex ist als die meisten Böden. Über eine Mischmaschine nutzen wir ein geschlossenes System, was es viel einfacher macht, die Reaktion zu kontrollieren.

Wo sehen Sie die vielversprechendsten Märkte im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Verfahren?

Neben den genanten Bereichen der Gleisbettreinigung, der Integration des Verfahrens in Bodenreinigungsanlagen und der On-Site-Behandlung mit mobilen Anlagen sind aus meiner Sicht attraktive Zukunftsmärkte:

Die Behandlung von persistenten organischen Schadstoffen, z.B. Polychlorierte Biphenyle (PCB) . Dies ist ein ganz anderer Markt, mit den deutlich höheren Margen als bei der Behandlung von Öl-Kontaminationen. Darüber hinaus haben wir es bei vielen Kunden bereits mit ausgehobenen Böden zu tun. So ist es wesentlich einfacher, den Behandlungsprozess exakt zu steuern.

Die Bodensanierung mit einer Kombination aus Arvox und mikrobiologischer Behandlung: Das wird unsere Zielmärkte erheblich erweitern, bedingt durch niedrigere Primärkosten. Dieses Kombi-Verfahren hat großes Potenzial, zum Beispiel in Afrika oder in Ländern wie Aserbaidschan, Katar, Kuwait, Irak, Iran, in denen die Bioremediation weit verbreitet ist. Den Prozess, uns neben Europa auch in diesen Märkten zu etablieren, wollen wir beschleunigen.

Auch eine Modernisierung der STORM-15-Anlage ist denkbar. Damit können wir Projekte zur Rückgewinnung von Kohlenwasserstoffen aus alten verwitterten Ölschlämmen realisieren und gleichzeitig die übrig bleibenden Feststoffe von der Restkontamination befreien.

Das sind aber langfristige Vorhaben. Wir machen einen Schritt nach dem anderen.

Wie sieht die Zukunft der Arva AG aus Ihrer Perspektive aus, wenn alles wie gewünscht funktioniert?

Ich sehe Arva als erfolgreiches Unternehmen, das mit gefragtem Know-how und einzigartigen Technologien international vertreten ist. Dies sind unsere zentralen Assets. Sanierungsarbeiten können regionale Partner dann unter unserer technologischen Überwachung durchführen.

Dieser Ansatz gewährleistet einen schnellen Einstieg in neue Märkte, wir können uns gleichzeitig auf die Optimierung unsere Technologien konzentrieren und neue Verfahren entwickeln.